Berlin – Spandau. Die beiden Fotografen georgia Krawiec und Matthias Hagemann veranstalteten zum Tag der Deutschen Einheit 2015 in der AWO-Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge einen Fotografieworkshop. Hierfür drängelten sich bereits in den frühen Morgenstunden 12 Flüchtlingskinder in den Speisesaal der Einrichtung und bauten unter der Anleitung der beiden Berliner Künstler aus Schuhkartons, runden und eckigen Blechdosen und sogar einem Blumentopf ihre Lochkameras, mit denen sie sich nach der Mittagspause in der Herbstsonne gegenseitig porträtierten.
Die Kinder im Alter zwischen 4 und 11 Jahren stammten aus Syrien, Palästina, Tschetschenien, Albanien und dem Kosovo. Mit ungebremster Energie und Schaffensfreude entstanden so in kürzester Zeit Lochkameras und mit ihnen wiederum erstaunliche Fotos. Zum Höhepunkt des gesamten Projekts wurde für die Kinder der magische Moment in der engen, schwach rot beleuchteten Dunkelkammer, als sich wie von Zauberhand auf vormals weißen Blättern plötzlich ihre Gesichter abbildeten.
„Wir haben hier wie im Turm zu Babel gearbeitet. Es wimmelte von Sprachen wie Arabisch, Russisch, Tschetschenisch, Albanisch und Serbisch. Einzelne Kinder sprachen ein wenig Deutsch, Matthias versuchte es auf Englisch und Deutsch, ich auf Deutsch und Russisch, so dass es dann möglich war, die Vorgänge und Abläufe richtig zu erklären. Es war beispielsweise wichtig, dass die Kinder verstehen, dass die Lochkameras wirklich lichtdicht gebaut werden müssen und sich die Kinder beim Belichten nicht bewegen sollten, da sie sonst wegen der langen Belichtungszeit auf den Fotos nicht erkennbar gewesen wären. Zum Glück spreche ich ein wenig Russisch, so dass auch die tschetschenischen Kinder ohne Deutschkenntnisse schöne Fotografien entwickeln konnten“, sagt georgia Krawiec. „Ich habe auch selbst 1988 einen ähnlichen Anfang hier in Deutschland erlebt und freute mich damals sehr über eine Künstlerin, die mit uns Seidenmalerei machte. Die bemalten Seidentücher bewahre ich bis heute.”
Ein für die Künstler wohltuendes Erlebnis war die stolze Erklärung der neunjährigen Sheched, wie das Bild in der Kamera entsteht, als ihre Mutter die Gruppe in der Pause besuchte und ungläubig die Arbeit begutachtete. Manche Kinder, wie der elfjährige Karim waren so fasziniert, dass sie am liebsten das gesamte Fotopapier und die Fotolaborutensilien behalten hätten, um am nächsten Tag weiterzuarbeiten.
„Die Kinder sind unheimlich stolz auf ihre Kameras und ihre selbst entwickelten Negative und konnten gar nicht abwarten, bis sie endlich trocken waren.“ bemerkt Matthias Hagemann. „Die Ergebnisse sind für einen absoluten Anfängerworkshop großartig, jedes Kind hat mindestens ein gutes Bild mit der eigenen Lochkamera gemacht. Und sie fühlten sich fast wie ‘Große’, als sie unter Anleitung mit Spraydosen, stop-ed-meds.com und meiner Spiegelreflexkamera hantieren durften. Wir haben das AWO heute wortwörtlich zu einer Erst-Aufnahme-Stelle im fotografischen Sinn gemacht.“ So ging der Tag der Deutschen Einheit für die Spandauer Flüchtlingskinder sehr erfolgreich und mit vielen eindrucksvollen Bildern erst kurz vor Sonnenuntergang zu Ende.
Berlin, 3.10.2015.